Sicher ist sicher

Mit welchen Stieren besame ich meine Kühe? Diese Frage muss sich jeder Milchviehhalter immer wieder stellen. Die Treuseligen vertrauen auf die Vorschläge ihrer Besamungsstation , andere auf die Zuchtwertlisten in den Landwirtschaftlichen Wochenblättern und deren Hochglanzbroschüren. Ganz Unbedarfte hören auf den Rat ihres Besamungstechnikers und die ganz  "Wurschtigen" nehmen gleich einen Fleischrassestier und kaufen sich die fertige Jungkuh auf dem Zuchtviehmarkt.  Wenn sie damit gut fahren ist mein Tipp - WEITERMACHEN! 

 

Dieser Artikel richtet sich an die Braunviehzüchter die sich tiefere Gedanken machen oder mit den obigen Strategien nichts mehr anzufangen wissen. 

 

Vorweg muss ich noch einige Dinge klarstellen die meine Definition einer guten Braunviehkuh betreffen. Eine gute Braunviehkuh muss aus meiner Sicht folgend Punkte erfüllen:

 

 

  1. Veranlagung und Haltung müssen sie dazu befähigen in Zusammenhang mit einer exzellenten Nutzungsdauer eine wirtschaftliche Milchleistung zu erbringen. 

Ich wollte eigentlich eine ganze Reihe von Punkten aufzählen, aber Punkt 1 reicht absolut aus, weil er alle anderen automatisch  mit einschließt. Mit einer Braunviehkuh die uralt wird und über viele Jahre eine wirtschaftliche Milchleistung erbringt, kann man zwei wesentliche Dinge erreichen: Erstens man kann Spaß haben und zweitens man kann Geld verdienen. 

 

(Kurzer Gedankenfurz: Mit Holstein- und Fleckviehkühen kann man wahrscheinlich auch Geld verdienen,  aber Spaß an der Sache sehe ich darin persönlich keinen. Man möge mir verzeihen!) 

 

Wenn man also mit Braunvieh Spaß haben und Geld verdienen will sind einige Schlüsselqualitäten wichtig. Dazu zählen Nutzungsdauer und die Fähigkeit die Milchleistung von Jahr zu Jahr zu steigern.  Nicht ganz außer Acht zu lassen sind dabei auch die Milchgehalte.

 

Nicht mehr?

 

Nein, denn eine Kuh die alt wird hat automatisch ein ordentliches Exterieur ohne gravierende Mängel. Sie wird eine akzeptable Milchleistung haben, denn sonst hätte man sie ja längst geschlachtet und sie wird in regelmäßigen Abständen trächtig werden. Das alles gilt natürlich auch für die Eutergesundheit, die Melkbarkeit das Melkverhalten und so weiter und so weiter. Ich schreibe bewusst "akzeptable" Milchleistung weil das bei einer langlebigen Kuh  nicht unbedingt bedeuten muss, dass sie sich im ersten Kalb schon voll in die Seile hängt. Ich persönlich kann einer schicken Färse 24 Liter verzeihen, wenn ich verlässlich darauf hoffen kann, dass sie im 8 Kalb noch 30 Liter gibt. Hohe Einsatzleistungen sind eine tollte Sache, aber zu oft sind sie auch mit hohen Folgekosten verbunden die die Rechnung am Ende verfälschen. Weil Braunvieh an sich eine spätreife Rasse ist, die das Potential besitzt sich von Laktation zu Laktation überproportional zu steigern, muss die Nutzungsdauer besondere Beachtung finden. 

 

Ohne Nutzungsdauer und Härte verliert das Braunvieh seine Berechtigung am Markt. Es kann nicht mit hohen Schlachtvieh- und Nutzkälberpreisen und auch nicht mit extremen Einsatzleistungen glänzen. Es muss problemlos alt werden, um sein Steigerungspotential voll ausspielen zu können. Das ist eigentlich eine ganz einfache Sache. Unser modernes Zuchtwertsystem arbeitet aber seit Jahrzehnten gegen diese einfache Logik an, das ist das Problem. 

 

Sie glauben mir nicht? Es gibt einen einfachen Trick um das zu belegen. Gehen sie auf die Homepage der Rinderzucht Austria (Zuchtwert-Datenbank - Offizielle Webseite der RINDERZUCHT AUSTRIA) und Klicken sie auf Anwendung öffnen. Wählen sie jetzt die Rasse Brown Swiss im Menü. Klicken sie den blauen Button Zuchtwerte  für die Feinselektion. 

Fordern sie jetzt eine GZW Mindestsicherheit von 95 Prozent. Das ist wichtig denn der Nutzungsdauerzuchtwert ist erst im hohen Sicherheitsbereich wirklich vertrauenswürdig. Das ist eigentlich logisch, denn nur nach einem gewissen Zeitraum kann wirklich anhand der echten Nutzungstagen errechnet werden ob ein Bulle die Nutzungsdauer seiner Töchter positiv oder negativ beeinflusst. Davor wird nur geschätzt, gerechnet, gehofft und vermutet.

 

Also, fordern sie nun in der Feinselektion bei 95 Prozent GZW-Sicherheit   für Nutzungsdauer mindestens 106 und weil Inhaltsstoffe nicht ganz unwichtig sind, bei Fett% mind. -0,10 und bei Eiweißprozent mind. -0,10.  

 

Nutzungsdauer 106  ist nicht gerade anspruchsvoll und bei Fett und Eiweiß akzeptieren wir sogar negativ vererbende Bullen, wir schließen nur die "Magermilchbullen" aus. 

 

Wenn sie nun "Suchen" drücken durchforsten  sie das gesamte Braunviehsystem mit mehreren 1000 Kandidaten  nach Bullen die diese Anforderungen erfüllen. 

 

Aktuell erscheinen nun auf 2 Seiten insgesamt 82 Stiere. Interessant ist auf Seite 1 finden sie kaum Bullen die im Euter, der Persistenz und in der Fruchtbarkeit unter 100 sind. Das zeigt dass diese Merkmale auch im hohen Sicherheitsbereich eng mit der Nutzungsdauer korrelieren. 

 

In der an dieser Stelle besprochenen ZAR-List der Zuchtwertschätzung August 2024  erscheinen bei dieser selektiven Suchanfrage Braunviehlegenden wie Raymo, Etpat, Vigor, Improver, Briladman und Norvicson. Es erscheinen bekannte Spitzenbullen wie Dynamite, Huvic, Paul, Pat-ET, Denpro, Joschka, Jucator, Prohuvo, Jufast, Nofak. Das beweist schon einmal, dass die Vorselektion nicht ganz falsch gewesen sein kann.  

 

Interessant ist wer in dieser Liste nicht erscheint. Stark eingesetzte Bullenväter wie Vinos, Jolt, Gordon, Jetway, Vinbrei, Huray, ACE, Nesta, Brost und viele andere auf die man stark gewettet hat sucht man vergebens. Ich will damit nicht sagen dass das zu ihrer Zeit schlechte Bullen waren,  aber die Nutzungsdauer der Rasse haben sie nicht nachhaltig verbessert. 

 

Soweit so gut.  Uns interessiert aber die Gegenwart. Welche Bullen innerhalb der Suchanfrage, sind zum heutigen Zeitpunkt verfügbar?  Um das zu erfahren setzen wir in der Suchleiste bei Verfügbarkeit den Haken ins Kästchen "frei/eingeschränkt". 

 

Die List die jetzt erscheint umfasst 26 Bullen. Davon sind einige die zwar noch unter verfügbar geführt sind, aber wohl eher als Karteileichen einzustufen sind. ZAR ist hier nicht immer ganz aktuell. Ich denke nicht dass z.B. Sperma von Pat-ET noch im Umlauf ist. Wenn ja, gebt mir bitte Bescheid! 

 

Verfügbar ist Amorie der Listenführer. Er schafft es zu so hoher Sicherheit, aufgrund hoher Töchterzahlen in der 1. Laktation. Töchter in der 3. Laktation hat er noch nicht. Mit Fruchtbarkeit 90 und einer eher lockeren Voreutersaufhängung  setzt ich mal vorsichtig ein Fragezeichen. Ähnlich verhält es sich bei Ajax der mit Eutertiefe 88 daherkommt. 

 

In der Liste finden sich aber echte "Altbullen" die ihre Fähigkeiten mit Töchtern in der 3. Laktation unter Beweis gestellt haben dazu zählen Hebron, Hapat, Verdi, Dorian, Julau, Visor PS, Anselm, James. 

 

Verdi habe ich vor einiger Zeit negativ beschrieben, das war ein Fehler. Die Verdi-Töchter scheinen zähe Zeitgenossinnen zu sein, mit super Gehalten , guter Eutergesundheit und bester Fruchtbarkeit.  

Visor PS hält sich tapfer und bis auf die negative MBK muss man eigentlich wenig aufpassen. 

Julau ist aus meiner sich einer der komplettesten Bullen  die es überhaupt in der Braunviehzucht gibt. Setzt diesen Bullen ein solange es ihn noch gibt. 

Hapat hat zwar keine tolle lineare Beschreibung aber wer 12 Jahre nach seinem Debüt und unzähligen Abschreibungen sich immer noch auf diesem Niveau hält kann kein schlechter Bulle sein. Seine Fruchtbarkeit ist überragend und die Gehalte sind absolute Spitze. 

 

Nicht auf der Liste zu finden ist Simbaboy. Er erreicht auf deutschem Niveau nur eine ND von 102. In der Schweiz zählt er mit 3.000 Töchtern  (ND 112)   allerdings zu den Spitzenstieren in diesem wichtigen Fitnessmerkmal. Er ist einer der besten Fruchtbarkeitsvererber der Schweiz  und hält sich ebenfalls sein Jahren stabil. Mit einem seltenen Triple-A Code von 345 ist er allein schon deswegen eine Bereicherung für die Braunviehzucht. Nutzt diesen Bullen solange es ihn noch gibt!

 

Wem Fitness wichtig ist und wer auf Milchmenge nicht verzichten will dem empfehle ich keine Mindestanforderungen bei Fett und Eiweiß in der oben beschriebenen Suchleiste einzugeben. 

 

Automatisch erscheinen dann zusätzlich interessante Bullen wie Husold, Canyon, Sinatra, Harrison, Huvi, Puck und Hacker auf der Liste. 

 

Grundsätzlich kann man mit der Liste spielen wie es einem gefällt. Jeder kann für sich entscheiden was ihm wichtig ist und wo er seine Schwerpunkte setzen möchte. Klar sollte aber sein, dass die Nutzungsdauer im hohen Sicherheitsbereich ein extrem aussagekräftiger Parameter für eine gesunde, unkomplizierte und langlebige Kuh ist. 

 

 

 Übrigens der schöne Bulle oben auf dem Bild heißt Sinnvoll. Er wurde von mir gezüchtet und ist bei Göppel-Genetik erhältlich. Wir melken mittlerweile schon einige Töchter von ihm und setzen ihn aktuell immer noch ein. Wer spätreife, robuste Kühe mit guten Eutern und Beinen sucht ist mit ihm sicherlich nicht schlecht beraten. Sein Vater Sinn war ein Deckbulle aus einer 100.000 Liter Etpat. Dessen Vater Sinus, war ebenfalls ein eigener Stier. Unten im Bild seine Mutter Yvonne . Ganz unten seine Großmutter Etpat Nette mit 100.000 kg. Aktuell steht sie in der 14. Laktation.